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Von der Computersteinzeit auf den neuesten Stand der Technik: Das Kommunikationssystem für die ISS

Das neue Monitoring and Control System bei der Arbeit
Über das MCS werden Befehle vom Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen an Raumfahrzeuge im Weltall übertragen und Daten von diesen empfangen. Jetzt wurde das System auf den neuesten Stand der Technik gebracht (Foto optimiert mit KI) .

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich etwa zwei Meter entfernt von meinem allerersten Computer, einem Sharp MZ-700. Er steht verstaubt hinter mir im Regal – mein Büro hat leichte Ähnlichkeiten mit einem Museum: Neben dem Computer steht ein alter Probenhalter aus einem Elektronenmikroskop, ein Ammonit, eine Einstein-Puppe und eine Lego-Rakete. Ob der Computer noch irgendwelche Lebenszeichen von sich geben würde, wenn ich ihn anschließen und einschalten würde?

Damals kamen nach dem Umlegen des Schalters zunächst ein paar kryptische Textzeilen in inzwischen antiquierten Lettern auf dem Bildschirm zum Vorschein. Dann musste man eine Datasette, also eine Datenkassette, einlegen, auf Anfang spulen, den Befehl LOAD eintippen, „CR“ drücken, den Datenrekorder starten, und dann konnte man sich erst mal einen Kaffee kochen, um die 20-minütige Wartezeit zu überbrücken.

Das „Museums-Regal“
Neben vielen anderen Erinnerungsstücken fristet ein alter Sharp-MZ-700-Computer sein Dasein auf dem Regal.

Wenn man dann Glück hatte, hatte der Computer die Programmiersprache BASIC auf der Datasette gefunden, sie geladen, und man konnte loslegen. Damals hatte man noch eine gute Vorstellung, was ein Befehl oder ein Kommando war: LOAD, RUN, LIST, GOTO (nicht gut), POKE (ganz böse!)…

Meine Kinder – gerade im Schulalter – haben davon kaum eine Vorstellung: Sie wischen und klicken oder sprechen mit Siri wie mit einem menschlichen Gegenüber: Es hat sich vieles sehr geändert in den vergangenen „paar Jahren“, und Computer werden grundsätzlich ganz anders wahrgenommen – wenn sie überhaupt noch wahrgenommen werden.

Das Monitoring and Control System wird grundlegend erneuert

Wenn ich daher etwa in einem Vortrag erkläre, dass wir „Telekommandos auf die Internationale Raumstation ISS schicken“, dann muss ich etwas weiter ausholen, damit sich jeder vorstellen kann, was es damit auf sich hat: Wir haben am Boden ein eigenes, sehr komplexes System, um mit unseren Raumfahrzeugen „zu sprechen“: Das Monitoring and Control System, kurz MCS. Dahinter steht dann weiterhin eine große Datenbank, die es auch an Bord der ISS, des Satelliten oder der Sonde gibt. Hier ist definiert, welche Befehle wir an das Raumfahrzeug schicken können, was in diesen Befehlen an Parametern erlaubt ist und was dann letztlich an Bord passieren soll.

Telemetriedaten laufen im Columbus-Kontrollzentrum ein
Auf den Bildschirmen im Columbus-Kontrollzentrum wird die Telemetrie des Columbus-Forschungsmoduls auf der ISS angezeigt.

Es ist auch festgelegt, wie diese Befehle dann „verpackt“ werden müssen, um richtig „zugestellt“ werden zu können: Es gibt eine Absenderkennung, eine Empfängerkennung, einen Zeitstempel, eine Art Quersumme und noch einige andere Metainformationen, in die der Befehl „eingepackt“ wird. Meistens sind es sogar mehrere „Verpackungen“ ineinander, die dann auf dem Weg durch die ISS zum letztlichen „Befehlsempfänger“ dann peu à peu wieder entschachtelt werden, bis beispielsweise der Stromverteiler im Columbus-Labormodul einen bestimmten Schalter schließt – so wie wir es per Telekommando verlangt hatten.

Das Raumfahrzeug oder die ISS schickt uns auch Daten zur Erde, Telemetrie genannt, etwa zur elektrischen Stromstärke, die nun nach dem Schließen des Schalters fließt und die wir zur Überwachung unseres Moduls benötigen. Im Weltraum werden die Amperes in Bits und Bytes verwandelt, mit Metadaten versehen und verpackt, zur Erde gesendet und dann von unserem MCS wieder entpackt, um dann schließlich zum Beispiel als Zahl oder Kurve auf einem Bildschirm in unserem Kontrollraum zu erscheinen. Das MCS ist also ein ganz zentrales und hochkomplexes System.

Das MCS für Columbus ist uralt, zumindest in digitalen Maßstäben gesprochen. Unser Softwareentwicklungsteam hat in den vergangenen Jahren daran gearbeitet, es grundlegend zu erneuern: Es entspricht jetzt den neuesten europäischen Standards (European Ground Systems – Common Core, EGS-CC genannt). Es reflektiert fast zwei Jahrzehnte Betriebserfahrung mit dem Columbus-Labormodul auf der ISS und ist zukunftsträchtig orientiert: Wir werden eine sehr ähnliche Instanz des Systems auch für unsere LUNA-Halle und zukünftige Projekte einsetzen. Das schafft Synergien, vereinfacht das Leben unseres Flight Control Teams, minimiert den Wartungsaufwand – und bringt uns an die vorderste Front der Technologieentwicklung.

Die Internationale Raumstation ISS
Mit dem neuen Monitoring and Control System beginnt für uns ein neues Zeitalter der Kommunikation in der Raumfahrt.
Credit:

NASA/ESA–T. Pesquet

Für uns beginnt ein neues Zeitalter der Kommunikation mit dem Weltall

Wir haben das System bereits mit dem Satelliten Eu:CROPIS ausprobiert (DLR – GSOC kommandiert Satellit mit Software der Zukunft), aber am Montag erfolgte nun der Test mit der Raumstation – mit ungleich höheren Anforderungen an Sicherheit, Verfügbarkeit und Verlässlichkeit.

Eine kleine unscheinbare Aktivität auf der ISS-Timeline mit dem kryptischen Namen „MCS-R OPS-DEMO“ war alles, was die Astronautinnen und Astronauten hiervon mitbekamen – und dass das Licht in Columbus kurz flackerte und ein Ventil klapperte. Sicherheitshalber hatten wir sie aber auch nochmal im „Daily Summary“, der täglichen Crew-Zeitung vorgewarnt. Im Kontrollraum des Columbus Control Centers in Oberpfaffenhofen hingegen war dies durchaus ein großes Ereignis, mit den Leitern des Astronautenzentrums, Frank De Winne, und des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums, Prof. Felix Huber, als Beobachtern.

Live-Test des neuen Systems im Columbus-Kontrollzentrum
Gespannt beobachten Frank De Winne, Leiter des ESA-Astronautenzentrums (vorne rechts), und Prof. Felix Huber, Leiter des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums (vorne links), die Daten, die mit dem neuen System von der ISS übertragen werden.

Unsere Ground Controller mussten im Vorfeld unsere gesamte Bodenkonfiguration auf das neue System umstellen – und trotzdem ständig eine schnelle Rückkonfigurationsmöglichkeit vorhalten, falls es zu einem unerwarteten Verhalten oder einem Problem auf der Raumstation kommen sollte. Und danach wieder zurück auf das alte System schalten, mit Testkommandos, um sicherzustellen, dass wieder alles korrekt funktioniert: Mehrere Stunden Arbeit für sie – und mehrere Wochen Vorbereitungszeit…

Es war dann Arthur, einer unserer Flight Controller, der die Kommandos mit dem neuen System an die ISS schickte – unter den Augen zahlreicher interessierter Beobachter im Kontrollraum und auf unserer Besucherbrücke. Im Live-Video ging das Licht in Columbus kurz aus, dann wieder an: Ein Erfolg!

Ein Aufatmen im Team – und anschließend vorerst zurück auf das alte MCS und zurück zum „normalen Raumstationsbetrieb“. Beim Entwicklungsteam des neuen MCS dagegen können nun vorerst die Sektkorken knallen, bevor man sich wieder an die vielen noch offenen Aufgaben macht, die noch erledigt werden müssen, bevor wir Columbus vollständig mit dem neuen System kommandieren können. Im übertragenen Sinn müssen wir also noch eine Zeitlang dem Abspulen der Datasette zusehen, bevor wir dann mit RUN in das neue MCS-Zeitalter starten können.

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